Die Legende des Herrn der Erdbeben
Im 17. Jahrhundert, nach der Eroberung Perus durch die Spanier, wurde dem spanischen König berichtet, dass man im neueroberten Land noch wenig Erfolg bei der Verbreitung des Christentums unter den Einheimischen verzeichnen konnte und diese immer noch ihren eigenen Gott, den Sonnengott Inti anbeteten. Um es für die indigene Bevölkerung leichter zu gestalten sich mit der Figur Christus zu identifizieren, wurde eine Jesusstatue mit dunkler Haut nach Cusco geschickt.
Am besagtem Tag im Jahre 1650, als die besondere Statue zum ersten Mal öffentlich zur Schau getragen wurde, erschütterte ein Erdbeben die Stadt Cusco und ließ verheerende Folgen ahnen. Als das Beben jedoch überraschender Weise stoppte und die Bevölkerung vor dem erwarteten Schrecken bewahrte, glaubte man, die Statue des farbigen Christi habe die Stadt gerettet. Nach der Erfahrung dieses Wunders gab man der Figur den Namen Señor de los Temblores (Herr der Erbeben).
Als man weiter im Jahre 1720 die Verschonung der Stadt Cusco von einer gefährlichen Plage mit den Wunderkräften des Señor de los Temblores in Verbindung brachte, löste dieser den alten Schutzpatron Santiago, welcher 1646 durch die Spanier ernannt worden war, ab und wurde zum neuen Schutzpatron Cuscos erhoben.
Das Fest zu Ehren des Herrn der Erdbeben heute
Heute wird die Christusstatue an jedem Montag vor Ostern, am sog. Lunes Santo, in einer großen Prozession gefolgt von Massen an Gläubigen und Schaulustigen durch die Straßen von Cusco getragen. Der Brauch, Abbildungen von Heiligen auf massiven Holztragebalken für die Öffentlichkeit zur Schau zu tragen, kann auf die Traditionen der Inkakultur zurückgeführt werden. An besonderen Tagen feierten die Inka die Mumien ihrer Häuptlinge, Hohepriester und obersten Herrscher indem sie diese in ähnlichen Paraden präsentierten.
Ein weiteres Element der alten Traditionen, welches wir heute noch beobachten können, ist die Verwendung der ñucchu Blume (salvia esplendes), welche bei den Inka als Opfer für die Göttern Kon und Wiracocha galt. Die gleiche Blume wird heute verwendet, um die Krone des Herrn der Erdbeben herzustellen. Die hochroten Blütenblätter werden heute außerdem am Tag der Feier von den Gläubigen verstreut und soll das Blut Christi symbolisieren.
Es wird gesagt, dass das Gewicht der massiven Plattform, auf welcher der Señor de los Temblores thront, die Schwere der Sünden der Träger darstellt. An den Gesichtsausdrücken der Träger beim Stemmen der Balken soll man vorhersagen können was das kommende Jahr bringt. Die Feier zu Ehren des Señor de Temblores wurde im Jahr 2007 offiziell zum Kulturerbe Perus erklärt.